plus Fernreisen.
Vor über 30 Jahren flüchtete Frankreichs Männerschwarm
vor Fans und Journalisten aus Rio de Janeiro in ein kleines Fischerdorf.
Das blieb nicht ohne Folgen: Heute ist Armacao dos Bozios das
berühmteste und schönste Seebad von ganz Brasilien.
Sie war die
Lady Di der sechziger Jahre, und an diesem Januartag des Jahres
1964 in Rio de Janeiro ging es ihr ziemlich schlecht, was noch
schwach ausgedrückt ist. Es ging ihr erbärmlich.
Da wohnte
sie in einem Apartment an der Copacabana, hockte auf ihrem Zimmer
wie im Gefängnis, heulte und traute sich nicht vors Haus,
denn dort saßen sie zu Hunderten herum mit ihren Stielaugen,
die Fans und die Journalisten. Irgendwann an diesem Tag sagte
dann ihr Freund Bob, jetzt reicht's, wisch dir die Tränen
ab, wir verschwinden. Sie setzte sich eine Perücke auf, und
sie fuhren in einem VW-Käfer die Küste hoch nach Armação
dos Búzios. Ein verschlafenes Fischerdorf, und auch das
ist noch schwach ausgedrückt. Es war eine wunderbare Idylle.
An den Stränden lagen Millionen von Kauri-Muscheln (Búzios),
draußen auf dem Meer setzten sich die Fischerkinder auf
Delphine und ritten mit ihnen durch die Bucht.
"Es
gab kein Telefon, keinen Kühlschrank, kein fließendes
Wasser", schrieb Brigitte Bardot 30 Jahre später in
ihren Memoiren, "aber ich war an einem Meer, das wie himmelfarbener
Champagner war, und ich erlebte die schönsten Tage meines
Lebens".
Und was machte
die französische Brigitte drei Monate auf der Halbinsel?
Sie ging
spazieren, hielt Siesta in der Hängematte eines Fischers
und spielte mit einer Katze, die sie 'Moumoune' nannte. Nachts
schlief sie unter dem Moskitonetz und las Simone de Beauvoir,
und dann war da natürlich auch noch ihr Bob: Bob Zaguri,
Basketballspieler aus Marokko.
Nach dem
Besuch der BB war das Fischerdorf nie mehr dasselbe, und heute
ist Búzios das Saint-Tropez Brasiliens, sein berühmtestes
Seebad und eine Tourismusgoldgrube. Auf der Halbinsel leben 15
000 Einwohner, doch in der Sommersaison zwischen Dezember und
März belegen mehr als 100 000 Urlauber die Privatquartiere
und 6000 Betten in den 200 Gästehäusern und Hotels.
Das Defilee
der Gäste, die in den letzten zwanzig Jahren auf der Promenade
flanierten, ist ein Who's who der Popstars und Prominenten. Da
kamen Nina Hagen, Racquel Welch, Mick Jagger und Ursula Andress,
und sie schliefen in 'Pousadas', in denen es Betten auf Podesten
gibt, von denen aus man das Meer sehen kann.
Und wo verbrachte
Bill Gates letztes Jahr Silvester? In der Pousada 'El Cazar'.
Búzios,
das ist vor allem die Nacht von Búzios. Auf der Rua das
Pedras machen die 70 Boutiquen am späten Nachmittag auf.
Zum Dinner geht man nicht vor Mitternacht, dann beginnen auch
das Nightlife, die Sticheleien der Tätowierer unter freiem
Himmel und die Vollmondfeste an der Tartaruga-Beach, die manchmal
erst enden, wenn die Sonne im Zenit steht.
Der Tourist
kann unter 25 Stränden auswählen. An der Ferradura-Bucht
gibt es Jetskis und Muschelverkäufer, die mit einem Tablett
mit Salzfäßchen, Zitronen und Austern auf Eis durch
den Sand stapfen; die Strände Geriba und Brava sind ideal
für Surfer, an der Praia do Forno ist der Sand rosa wie Flamingofedern,
kristallklar an der Praia da Azedinha das Wasser, in dem farbige
Fische schwimmen.
Natürlich
gab es für Búzios schon ein Leben vor Brigitte Bardot,
aber eine große Attraktion war es nicht.
Der Mann,
der Búzios erbaut und ihm das heutige architektonische
Gesicht verliehen hat, kam zum ersten Mal in den fünfziger
Jahren in die Gegend.
"Die Strände waren damals leer", sagt Otavio
Raja Gabaglia.
Was den Architekten entzückte, das waren die Fischerhäuser
mit ihren niedrigen Dächern gegen den Seewind, mit den
Kakteen, die in den Dachtraufen wuchsen und den Pfeilern aus
massiven tropischen Hölzern. Otavio hat den Boziosstil
berühmt gemacht. Er baute tausend Chalets, Restaurants
und Hotels: kein Haus höher als zwei Stockwerke, aber mit
großen Veranden aus Holz, überwölbt von terrakottafarbenen
Dachziegeln von alten, verlassenen Zuckerfabriken.
Wie macht
man, frage ich Otavio, aus einem Fischerdorf das schönste
Seebad südlich der Karibik?
"Man sitzt in der Kneipe und schreibt die rigorosesten
Baugesetze auf, die einem durch den Kopf gehen. Dann behauptet
man, daß mit drakonischen Strafen rechnen muß, wer
sich nicht daran hält." Jahre nach dem Besuch der
Bardot fiel ein Bürgermeister aus allen Wolken, als der
Architekt ihm gestand, daß das berühmte Baugesetz
eine Kneipenerfindung war.
Und was ist
von der französischen Brigitte, die das Seebad ja schließlich
auch 'gemacht' hat, geblieben?
'Gran Cine
Bardot' heißt das einzige Kino der Stadt, 'Chez Brigitte'
und 'Le Tropezienne' nennen sich zwei Restaurants, und im Impressum
des Lokalblatts wird BB auch geführt, ganz schamlos, als
Herausgeberin. Wer sehen möchte, wo sie in der Hängematte
geschaukelt und Gitarre gespielt hat, der kann in die Pousada
'Do Sol' gehen, sich das Bardot-Zimmer zeigen und erzählen
lassen, daß die halbe Bevölkerung damals die Sonntagsmesse
verließ und auf die Straße stürzte, wenn die
Bardot in Búzios aus dem Käfer stieg.
Die Buzianos
fühlen sich als eine riesige, frivole, das Leben genießende
Familie von Impresarios der Tourismusbranche. Als einmal die Schlaglöcher
in den Straßen zu groß geworden waren, hat man sie
einfach privat gepflastert. Und als wenige Tage vor der Eröffnung
des neuen Kinos 'Gran Cine Bardot' kein Geld mehr für die
Sitze übrig war, legten alle zusammen. Die Bozianos, das
sind erfolgreiche Weltbürger, angeödet von der Karriere
und dem Leben in den Metropolen.
"Wir
sind moderne Nomaden", sagte Shalom Benayir, der die Pousada
'El Cazar' und ein kleines Restaurant besitzt, "und wir haben
schon alles gesehen, wir haben überall auf der Welt unsere
Freunde und Frauen gehabt, und dann sind wir versetzt worden und
haben Freunde und Frauen verloren. So waren wir auf der Suche
nach dem wohl letzten Platz in unserem Leben, als wir eines Tages
Urlaub in Búzios machten."
(Rainer Fabian )